HomeKinoEmpfohlene FilmeEmpfohlene Tragikomödie FilmeEverybody's FineKritik: Everybody's Fine
Everybody's Fine
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,0
solide
Everybody's Fine
Von Carsten Baumgardt
Das Hohelied auf die Familie ist nicht nur schon oft gesungen worden, das Thema ist auch noch so universell wie zeitlos. Mag sich die moderne Gesellschaft noch sooft neu definieren, eines bleibt: der Wunsch nach familiärer Harmonie. Dass das Leben mitunter aber auch Lebenslügen bereit hält, ist kein Geheimnis. Diesem Umstand spürt Regisseur Kirk Jones in seinem rührigen Familien-Drama „Everybody’s Fine“ nach. In seinem Remake des italienischen Films „Stanno Tutti Bene“ (1990) von Giuseppe Tornatore („Die Legende des Ozeanpianisten“) mit Marcello Mastroianni poliert der Engländer die Oberfläche sauber und gefällt mit einer unaufgeregten Inszenierung, gewinnt der Thematik aber kaum neue Facetten ab.
Der Witwer Frank Goode (Robert De Niro) hat vor acht Monaten nach 41 Ehejahren seine geliebte Frau verloren und sucht jetzt einen neuen Platz im Leben. Doch der Start fällt verhalten aus: Seine vier Kinder Robert (Sam Rockwell), Amy (Kate Beckinsale), Rosie (Drew Barrymore) und David (Austin Lysy) sagen geschlossen eine fest geplante Familienzusammenkunft im Hause des alten Herrn ab. Doch wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg halt zum Propheten. Der gesundheitlich angeschlagene Frank entschließt sich daheim in Connecticut, zu einem Road Trip aufzubrechen und seine Kinder der Reihe nach zu überraschen. Doch schon auf seiner ersten Station erlebt er eine Enttäuschung. In New York steht Frank vor der verlassenen Wohnung seines Künstler-Sohnes David. In Chicago scheint er bei der erfolgreichen Werbeagentur-Chefin Amy, deren Sohn Jack (Lucian Maisel) und ihrem Mann Jeff (Damian Young) wenig willkommen zu sein. Zu unterkühlt ist die Atmosphäre. Irgendetwas stimmt nicht. Denn dieser Eindruck vermittelt sich auch in Denver, wo sich herausstellt, dass Robert keineswegs einem berühmten Orchester als Dirigent vorsteht, sondern lediglich als Percussionist sein Geld verdient. Auch in Las Vegas verheimlicht Rosie, die in ihrem luxuriösen Appartement als Tänzerin großen Erfolg vorlebt, ihrem Vater Grundlegendes...
Regisseur Kirk Jones (Lang lebe Ned Devine, Eine zauberhafte Nanny) erforscht in seinem US-Debüt die amerikanische Familienseele auf einer Reise von Küste zu Küste. Keine schlechte Idee, bei einem Land, das so vielfältig ist wie die USA. Doch anders als bei vergleichbaren Filmen wie About Schmidt, Elizabethtown oder Junebug zieht es Jones nicht in die Provinz, sondern mit Ausnahme von Franks Heimat in die Metropolen. Über die Atmosphäre von Städten wie New York, Chicago, Denver oder Las Vegas erfährt der Zuschauer jedoch so gut wie gar nichts. Regisseur und Drehbuchautor Jones interessiert sich ausschließlich für seine Figuren und kaum für das Ambiente drum herum. Diese Fokussierung räumt immerhin den Charakteren mehr Platz ein. Während aber Vater Frank nach und nach immer mehr Facetten von sich preisgibt, kratzt der Film beim Porträtieren der Kinder nur an der Oberfläche. Amy hat sich von ihrem Mann getrennt, Robert ist nur ein kleines Licht, Rosie lebt ihrem Erzeuger eine große Lüge vor und David steckt in noch wesentlich epochaleren Problemen. Doch Frank, für den seine Frau zu Lebzeiten die schlechten Nachrichten filterte und die heile Welt garantierte, will eigentlich nur Positives hören, also etwas, auf das er stolz sein kann. Und deshalb wird er von seinem Nachwuchs seit Jahren in Watte gepackt. Dieser Tenor zieht sich durch den ganzen Film, der zwar meist berechenbar ist und auch im Finale ein wenig zu dick aufträgt, aber doch menschlich nachvollziehbar bleibt.
Das Konzept der Produzenten ist klar. Mit der Besetzung des Briten Jones auf dem Regiestuhl sollte ein Blick von außen auf amerikanische Befindlichkeiten gewährt werden. Dieser Ansatz scheitert zwar, denn Neues fördert Jones nicht zu Tage, gescheitert ist sein Film aber deshalb noch nicht. Das erstaunliche Ensemble hilft Jones aus der Klemme. Der bei seiner Rollenauswahl nicht unbedingt als wählerisch geltende Robert De Niro (Inside Hollywood, Der gute Hirte) ist eine gute Lösung für diesen Frank Goode, der erst im Pensionsalter entdeckt, was außerhalb seiner kleinen, regulierten Welt vor sich geht. De Niro spielt extrem zurückgenommen und drückt seine Gefühle nur in kleinen Gesten präzise aus. Nicht einmal erhebt er seine Stimme, die Sucht nach Harmonie und Ordnung ist so groß, dass er sich alles so zurechtrückt, wie er es braucht. Auch seine Mitstreiter holen aus den Limitierungen des Drehbuchs einiges heraus. Es ist rührend, wie Kate Beckinsale (Nothing But The Truth, Underworld) als erfolgreiche Karrierefrau, deren Privatleben aus dem Ruder gelaufen ist, versucht, ihren Vater zu beschützen. Sam Rockwell (Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind, Moon) spielt sein Charisma aus und deutet trotz überschaubarer Leinwandzeit an, dass er zu den Besten aus der Riege der chronisch unterschätzten Schauspieler überhaupt zählt. Drew Barrymore (Mitten ins Herz, Er steht einfach nicht auf dich) eifert Beckinsale nach und erfüllt dramaturgisch ähnliche Zwecke – nur vor völlig anderem Hintergrund.
Eine nette inszenatorische Idee hat Regisseur übrigens aus seiner Recherchephase übernommen. Auf der Suche nach Schauplätzen in den USA machte das Team Tausende von Fotos, um Eindrücke einzufangen. Das hält auch Witwer Frank ähnlich. Mit einer Pocketkamera knipst er alles, was ihm wert ist, festgehalten zu werden. Er will damit die guten Erinnerungen für immer und ewig konservieren und nicht wieder hergeben. Als universelle Metapher der Kommunikation nutzt Jones Franks früheren Job bei einer Telekommunikationsfirma. Und obwohl ihm dieser Beruf so viel bedeutete, zeigt der Film auf, dass er dabei versagt hat, zu seinen Kindern einen echten Draht aufzubauen. Die Bilder von Kameramann Henry Braham (Der Goldene Kompass, Flyboys) sind elegant, besonders bei den vielen nächtlichen Impressionen macht sich der Einsatz der trotz wenig Licht extrem scharfe Aufnahmen erzeugenden HD-Digitalkamera positiv bemerkbar.
Fazit: Mit „Everybody’s Fine“ gewinnt Regisseur Kirk Jones sicherlich keinen Innovationspreis, trotzdem gefällt sein gefühlvolles Familien-Drama mit seiner ruhigen Art und einem gut aufgelegten Ensemble.
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